Quo vadis, TSG?

Die Richtung der TSG aus Hoffenheim ist momentan ziemlich unklar. Im Sommer gehen schon wieder Leistungsträgerinnen zur nationalen Konkurrenz.

Chantal Hagel in einem Hoffenheim-Trikot

Bildquelle: TSG Hoffenheim

Es rumort im Kraichgau. Anders kann man es glaube ich aktuell nicht wirklich ausdrücken, denn irgendwas passt da nun wirklich nicht zusammen. In der Tabelle steht man vor Wiederaufnahme des Spielbetriebs am 5. Februar gegen den MSV Duisburg auf einem stabilen Platz 5, zwar mit sechs Punkten Rückstand auf Eintracht Frankfurt, die trotz eigener sportlicher Mankos einen soliden dritten Platz belegen, aber auch mit fünf Punkten Vorsprung auf Bayer Leverkusen, die das untere Tabellenmittelfeld mit 12 Punkten anführen.

Eine glorreiche Saison kann man das nun sicher nicht nennen. So scheint das auch das Management der TSG zu sehen, wurde doch noch im vergangenen Jahr – vier Tage vor Heiligabend, merry christmas everyone – bekanntgegeben, dass Cheftrainer Gabor Gallai des Amtes enthoben wurde. Dabei handelt es sich um ein derartiges Hauruck-Manöver, dass der neue Trainer Stephan Lerch – kommend von der männlichen U19 der TSG – erst im März sein neues Amt als Cheftrainer antreten wird. Damit verpasst er die gesamte Vorbereitung sowie vier Spieltage, darunter auch das Rückrundenspiel gegen Bayern München. Bis zu seinem Amtsantritt übernehmen die bisherige Co-Trainerin Nadine Rolser und U20-Coach Rico Weber die Zügel in Sinheim.

Ehrlicherweise kam bereits die Entlassung von Gallai zum Jahresende für mich und Beobachter*innen der Frauen-Bundesliga überraschend. Die Ansprüche in Hoffenheim scheinen zwar nach der Champion's League-Teilnahme in der Saison 21/22 relativ hoch zu sein, von einer Ergebniskrise in der aktuellen Saison kann man allerdings keineswegs reden. Niederlagen gab es in der bisher gespielten Hinrunde gegen Wolfsburg, Bayern und Köln. Gegen Frankfurt konnte man in einem etwas chaotischen Spiel, aus dem niemand so wirklich zufrieden herausging, immerhin ein 3:3-Unentschieden erspielen. Und das obwohl in der Sommerpause erneut Leistungsträgerinnen den Verein verließen, darunter unter anderem Nationalspielerin und “Golden Girl” Jule Brand, die nun ihr Gehalt an der Aller verdient. Ebenso den Verein verließen Celina Degen und Michaela Specht, wobei letztere bereits zum Start der Rückrunde wieder zurück in Hoffenheim ist.

Es ist zugegebenermaßen kein so großer Umbruch wie bei der Turbine aus Potsdam gewesen, die zur Sommerpause quasi ihre gesamte Startelf verloren hatte. Dennoch ist es immer schwer bis unmöglich, Leistungsträgerinnen wie Brand 1:1 zu ersetzen. Versucht wurde es durch interessante Transfers wie den von Julia Hickelsberger-Füller, Melissa Kössler und Erëleta Memeti. Allerdings gilt auch hier, wenn auch in einem deutlich kleineren Maßstab: Geld schießt keine Tore. Zumindest nicht sofort. Dass hier eine gewisse Eingewöhnungszeit nötig ist, dürfte klar sein. Die scheint Gallai allerdings nicht gewährt worden zu sein.

CL-Aspirant oder Ausbildungsverein?

Was von außen relativ klar zu sein scheint, ist allerdings in der Chefetage offenkundig nicht so wirklich angekommen. In meinen Augen gibt es hier eine klare Diskrepanz zwischen den Ansprüchen an den sportlichen Erfolg und die grundsätzliche Philosophie des Vereins.

Auf der einen Seite entlässt man Gabor Gallai aufgrund von ausbleibendem sportlichen Erfolg. Sicher kann man hier auch mal über den reinen Ergebnisfußball hinausblicken und die spielerische Stärke des Teams analysieren. Dort spielt Hoffenheim gerade in Spitzenspielen wie gegen Bayern und Wolfsburg einen Defensivfußball, der vielleicht nicht so gut anzuschauen ist – dafür aber aufgrund des Kalibers der Gegner umso notwendiger. Auch zuletzt gegen Bremen taten sich Schwächen im Aufbauspiel auf, die das Team von Trainer Thomas Horsch zu nutzen wusste und immerhin einen wichtigen Punkt im Abstiegskampf mitnehmen konnte. Nicht zuletzt ist auch Nicole Billa zu nennen, die in den vergangenen beiden Saisons eine Torgarantin war, in der aktuellen dafür aber umso mehr Schwierigkeiten zu haben scheint.

Das alles sind zwar Faktoren, die Fragen über den Hoffenheimer Fußball aufwerfen. Allerdings rechtfertigen sie für mich keinen so holprigen Trainerwechsel, wie er bei der TSG aktuell vonstatten geht. Und den Kern des Problems geht er auch nicht an.

Denn das Problem liegt hier eher nicht auf der Position des Cheftrainers, auch wenn die natürlich zumindest im Profifußball der Männer immer die wackligste ist, wenn im Team etwas nicht läuft. Sondern viel mehr geht es hier um eine grundsätzliche Identitätskrise des Vereins, der sich offenbar nicht so wirklich entscheiden kann, ob er nun um die Champion's League-Plätze mitspielen möchte, oder ob es reicht, ein Ausbildungsverein im oberen Tabellenmittelfeld zu sein. Denn wenn man in die CL möchte, dann braucht es mehr Kontinuität im Kader, als es momentan der Fall ist.

Mission Identitätsfindung

Den Trainerwechsel zu Stephan Lerch, der ja immerhin auch den VfL Wolfsburg zu einigen Titeln gecoacht hat bevor er nach Hoffenheim wechselte, hätte man nun als ein Zeichen vernehmen können, dass von hier ab eine klare Richtung eingeschlagen wird, die zur Etablierung im Kampf um die internationalen Plätze führt. Der Konjunktiv im vorangegangenen Satz ist allerdings tragend für das gesamte Statement; denn das weitere Handeln des Vereins überzeugt einen eher vom Gegenteil. So wurden im neuen Jahr direkt zwei Wechsel bekannt, die dem diametral gegenüber stehen: Einerseits wird die österreichische Nationalspielerin Katharina Naschenweng im Sommer zum FC Bayern wechseln, andererseits wurde heute bekannt, dass es nach Jule Brand im vergangenen Sommer nun auch Chantal Hagel in die Autostadt zieht.

Das wirft Fragen auf. Zuvorderst natürlich die nach der Zukunft von Stephan Lerch. Denn wenn es im Sommer, wie bereits in den Jahren zuvor, wieder einen Umbruch bei der TSG geben wird, ist es auch für Lerch nur eine Frage der Zeit, bis es mal eine Hinrunde gibt, in der die neuen Gegebenheiten im Kader sportlich etwas vermissen lassen. Und in dem Fall gibt es dann bereits Präzedenz für das weitere Vorgehen des Vereins – dann wackelt nämlich wieder der Stuhl.

Weiterführend stellen diese Wechsel allerdings auch die Frage in den Raum, ob und was die TSG zu tun bereit ist, um solche Spielerinnen zu halten. Denn wenn man langfristig um das internationale Geschäft mitspielen möchte, dann braucht es eben auch mal eine Degen, eine Brand, eine Naschenweng und eine Hagel im Kader. Es kann gut sein, dass Vereine wie Wolfsburg und Bayern einfach mit genug Geld winken, um das Budget von Hoffenheim zu sprengen. Dann darf man allerdings auch nicht überrascht sein, wenn die Spielerinnen gehen und muss seine Erwartungen an die kommende Saison entsprechend anpassen. Als Ausbildungsklub wird man schließlich nur schwerlich deutscher Meister.


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