Die Kommunikationsform der Moderne

Seit einigen Monaten schreibe ich meiner besten Freundin Briefe, um mit ihr im Austausch zu bleiben. Vielleicht ist das nicht nur für uns beide, sondern auch generell nicht schlecht, um Kommunikation zu entschleunigen.

Ein Füller der auf einem Stück Papier liegt

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Im Juli lud mich meine beste Freundin von mittlerweile stattlichen zehn Jahren zu ihrer Geburtstagsfeier ein. Eine kleine Runde aus engen Freundinnen (bewusst nicht gegendert 😍) und ihrem Freund. Es gab eine Menge Snacks, gute Unterhaltungen und ein paar Gesellschaftsspiele. Alles in allem eine Geburtstagsfeier, wie man sie sich wünschen würde, und eine auf der ich eine Menge Spaß hatte, obwohl ich eigentlich niemanden kannte.

Doch zu einem Geburtstag gehört nicht nur Geselligkeit, sondern auch Geschenke. Mein Gedanke war, ihr ein Abo des Missy Magazine zu schenken. Denn einerseits. bin ich seit März glückliche Abonnentin des feministischen Magazins und finde es nur fair, diese Freude zu teilen – und dabei auch noch unabhängigen Journalismus zu unterstützen – und andererseits war die Missy kurz zuvor noch mit einem Abo-Aufruf an die Öffentlichkeit gegangen, weil unter anderem die Papierkosten im letzten Jahr massiv angestiegen sind und auf einmal ein massives Loch im Budget entstanden war. Ein Problem, das durchaus auch andere linke Zeitungen und Zeitschriften aktuell haben, bei der Missy lag es mir persönlich aber besonders am Herzen.

Nun lässt sich so ein Abo allerdings nur schwer in Geschenkpapier einwickeln, also habe ich mich entschieden, ihr eine kleine Grußkarte zu schreiben und die Ankündigung eines Geschenkabos darin zu verpacken. Also schrieb ich ihr ein paar wertschätzende Worte und obwohl mir bereits nach den drei Sätzen, die auf so eine Grußkarte draufpassen die Hand wehtat fand ich es irgendwie cool. Ebenso wie ich zu den Zeiten als ich noch geraucht habe den reinen Prozess des Kippendrehens oftmals mehr genossen habe als die Zigaretten selbst waren auch hier die Worte auf einmal allein deswegen, wie sie übermittelt wurden, viel mehr wert als es jede digitale Nachricht je sein könnte. Wäre es nicht cool, wenn man das regelmäßiger machen würde?

Dazu kam, dass ich bereits seit einiger Zeit am Überlegen war, wie ich einen regelmäßigen Kontakt zu besagter Freundin pflegen könnte. Denn wir beide mögen uns zwar sehr, aber unsere Leben haben nur bedingt Punkte, an denen sie sich überkreuzen. Kennengelernt haben wir uns damals einerseits über Twitter (RIP, wobei sie es bereits seit Jahren nicht mehr wirklich nutzt) und unsere gemeinsame Liebe zur Musik. Wir sind auch auf einige Konzerte gegangen – doch mittlerweile ist die Metal- und Hardcore-Szene eine, aus der wir uns beide aus sehr ähnlich gearteten Gründen eher zurückgezogen haben. Dazu die zwar nicht weltenbewegende aber doch zumindest merkbare räumliche Trennung und die mittlerweile einfach unterschiedlichen Lebensentwürfe machen eigentlich einen wunderbaren Beginn für eine Geschichte, die mit »Wir haben uns einfach auseinandergelebt« endet.

Doch als ich ihr bei der oben angesprochenen Geburtstagsfeier von meiner Idee erzählte, war auch sie sehr angetan davon. Also setzte ich mich einige Wochen später hin und schrieb meinen ersten Brief, in dem ich über Gott und die Welt redete: Arbeit, Fußball, Leidenschaft, was mir eben so durch den Kopf ging. Und ja, ihr habt richtig gelesen: Es sind Wochen vergangen. Es vergehen auch jetzt noch oft Wochen zwischen den Briefen, denn das Schreiben ist zwar um einiges persönlicher, aber dafür auch deutlich anstrengender und langwieriger. Eine Sache also, für die man sich schon mal ein bis zwei Stunden Zeit nehmen muss, auch wenn am Ende nur ein Bruchteil der Menge an Text rauskommt, die man digital hätte produzieren können. Eben darin besteht aber auch die Geste, die dem Ganzen inneliegt. Denn blaue Finger (ich bin Linkshänderin), ein schmerzendes Handgelenk und zwei Stunden seiner Zeit nimmt man zwar gerne in Kauf, gerade wenn es um die eigenen Liebsten geht. Doch muss man auch erstmal die Zeit dafür finden. Entspannend ist es, finde ich, trotzdem. Und die perfekte Art für zwei introvertierte Menschen, sich auszutauschen ohne dabei das Haus verlassen zu müssen – oder zumindest nicht weiter gehen zu müssen als bis zum Briefkasten.

Seit August haben wir nun insgesamt fünf Briefe geschrieben, und ich freue mich zu sagen, dass es für mich bisher ein ziemlicher Erfolg war. Einerseits die Momente der Introspektion, die mit dem Schreiben einhergehen. Aber auch die Freude, die damit einhergeht, wenn mal etwas cooles im Briefkasten liegt, für das man nicht bezahlt hat. Ein Gefühl, das ich beinahe vergessen hatte.


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